Science and politics at war. New relations in the postwar era

Science and politics at war. New relations in the postwar era

Organisatoren
Matthias Heymann / Janet Martin Nielsen / Kristian Hvidtfelt Nielsen, Center for Science Studies, Universität Aarhus
Ort
Aarhus
Land
Denmark
Vom - Bis
13.12.2011 - 14.12.2011
Url der Konferenzwebsite
Von
Christian Kehrt, Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr Hamburg

Die an der Universität Århus veranstaltet zweitätige internationale Tagung zum Verhältnis von Wissenschaft und Politik im Kalten Krieg wurde vom Center for Science Studies der Universität Aarhus durch Matthias Heymann, Janet Martin Nielsen und Kristian Hvidtfelt Nielsen organisiert und basiert auf dem von der Carlsberg Stiftung geförderten Forschungsprojekt „Exploring Greenland: Science and Technology in Cold War Settings“. Ausgehend von der Beobachtung, dass das Verhältnis von Wissenschaft und Politik sich im Kalten Krieg intensivierte, lotete die Tagung auf der Basis neuer, insbesondere europäischer Fallstudien die Handlungsspielräume, Netzwerke, Förderstrategien und Militärbeziehung von Wissenschaftlern im Kalten Krieg aus. Die Konferenz zeigte, dass europäische Perspektiven auf Wissenschaft im Kalten Krieg sich deutlich unterscheiden von den besser erforschten US amerikanischen Perspektiven. Nationale Interessen und transnationale Aktivitäten ergeben ein vielgestaltiges Bild, das weitaus mehr (und teilweise anderen) Einflussfaktoren unterlag als der von John Krige beschriebenen amerikanischen Hegemonie.

Den Auftakt bildete die keynote lecture von ZUOYUE WANG (Pomona, Kalifornien), „Transnational science and politics during the Cold War: China, US and Europe“. Mit der Frage nach transnationalen Netzwerken, Ausbildung und Transfer chinesischer Wissenschaftler zwischen Europa, China und den USA hat der Wissenschaftshistoriker ein wichtiges Leitthema der Tagung vorgegeben. In der Zeit von 1900-1949 wurden 75 % der führenden chinesischen Wissenschaftler im Westen, vor allem in den USA ausgebildet. Auch der Kalte Krieg trug trotz der zeitweiligen Abschottung gegenüber dem Westen zu einer „Transnationalisierung“ der Chinesischen Naturwissenschaften bei, wobei hier ein wachsender Einfluss Europas in den 1960er-Jahren zu erkennen sei. Mit seinem Plädoyer für eine transnationale Geschichtsschreibung verband Wang zugleich den Anspruch, diese nicht triumfalistisch, sondern durchaus auch als eine Erfahrung von Verlust und kultureller Verunsicherung zu verstehen.

Während es nur wenige Fälle gibt, in denen sich Ideologie direkt hemmend auf den wissenschaftlichen Inhalt auswirkte, hat der Wissenschaftshistoriker HELGE KRAGH (Aarhus) mit „The Universe, the Cold War, and dialectical Materialism“ den negativen Einfluss der marxistischen Ideologie auf die Entwicklung eines neu entstehenden Wissenschaftsfeldes aufgezeigt. Der Kalte Krieg war, so Kragh, die Konfrontation zweier Weltanschauungen, der dazu führte, dass während des Stalinismus wissenschaftliche Theorien durchaus aufgrund politischer Motive unterdrückt werden konnten. So war vor dem Hintergrund des dialektischen Materialismus mit seiner zyklischen Weltsicht und der Annahme einer Unendlichkeit von Raum und Zeit für die neue Kosmologie der Big Bang Theorie kein Platz.

PEDER ROBERTS (Straßburg) stellte ein neues Forschungsprojekt zur skandinavischen Ozeanographie im Kalten Krieg vor. Sein biografischer Ansatz soll am Beispiel des dänischen Ozeanographen Anton Bruuns dazu beitragen, die verwickelten institutionellen Beziehungen auf nationaler, nordeuropäischer und internationaler Ebene zu betrachten. Internationale Organisationen wie etwa das Komitee für Ozeanographie der UNESCO seien Foren gewesen, in denen auch disziplinäre und wissenschaftliche Konflikte ausgetragen wurden. So habe der Däne Bruun für eine Forschungsrichtung gestanden, die weniger die militärisch relevanten physikalisch Richtung eines George Deakon als die biologisch orientierte Ozeanographie verfolgte und dabei als Vertreter eines eher kleineren Landes eine kooperative Strategie verfolgte.

SVEN MESINOVIC (Florenz/Berlin) präsentierte am Beispiel des Unterwasserlabors auf Helgoland wesentliche Ergebnisse seiner Dissertation vor und stellte dabei das Konzept des Habitats und der damit einhergehenden ökologischen Modelle auch für Fragen des Kalten Krieges zur Diskussion. Im Unterwasserlabor wurde der menschliche Körper zum Testobjekt auch für Fragestellungen der Weltraumforschung. Die Schaffung neuer Unterwasser-Lebensräume und künstlicher Ökosysteme habe auf die Kontrolle extremer Umwelten abgezielt und sei durch den Kalten Krieg motiviert gewesen.

ANNE LIF LUND JACOBSEN (Aarhus) hat sich mit ihrem umweltgeschichtlichen Ansatz am Beispiel Australiens mit Fragen der lebenden Meeresressourcen befasst und anhand konkreter Fangzahlen die Problematik begrenzter Ressourcen und damit einhergehender Managementaufgaben bereits für die 1930er-Jahre aufgezeigt. Angesichts begrenzter Meeresressourcen sei ein internationales Management notwendig gewesen, das zugleich mit vitalen geopolitischen Interessen Australiens einhergegangen sei.

In seiner keynote lecture „The Politics of US military Research in Greenland in the early Cold War“ hat NIKOLAJ PETERSEN (Aarhus), der in den 1990er-Jahren an der wegweisenden Studie „Grønland under den Kolde Krig“ beteiligt war, die verwickelten diplomatischen Beziehungen zwischen Dänemark und den USA behandelt und das Bemühen Dänemarks um Autonomie und Souveränität in Grönland betont.

Der dänische Technikhistoriker HENRY NIELSEN (Aarhus) hat den Uranabbau Dänemarks an der Südspitze Grönlands behandelt. In seiner diachron angelegten Studie gelang es ihm, zentrale Kapitel der nationalen Debatten um die Atomenergie mit der Frage des Uranabbaus zu verknüpfen. Nielsen plädierte dafür, bei aller Bedeutung der transnationalen Geschichte, nicht die nationalen Interessen und Technikbezüge auszublenden. Mit dem schwindenden Interesse Dänemarks an der Kernenergie habe auch Bedeutung des dänischen Uranabbaus an der Südspitze Grönlands nachgelassen.

DJ KINNEY (Tallahassee, Florida) hat in seinem Vortrag „Selling Greenland. The US Army’s bid for relevance in the early Cold War“ die mediale Inszenierung der unterirdisch ins Eis gebauten Anlage „Camp Century“ im Nordwesten des grönländischen Eisschildes und das damit einhergehende (nie vollendete) Projekt „Iceworm“, die Stationierung nuklearer Raketen unter dem grönländischen Eis, analysiert. Seine These lautete, dass das Projekt einer „Stadt im Eis“ dazu dienen sollte, die im nuklearen Rüstungswettlauf ins Hintertreffen geratenen Heeresstreitkräfte im Vergleich zu der im nuklearen Kriegsszenario bedeutenderen Navy und Luftwaffe aufzuwerten. Basis dieses Vortrages waren militärische Werbefilme des US Army Corps „The Big Picture“, die in den 1950er-Jahren im amerikanischen Fernsehen ausgestrahlt wurden.

Den letzten Teil der Tagung bildeten schließlich drei Vorträge holländischer und belgischer Wissenschaftshistoriker. DAVID BANEKE (Amsterdam) betrachtete die holländisch-amerikanischen Kooperationen im Bereich der Weltraumfahrt und stellte dabei einen Wandel in den transatlantischen Beziehungen fest. Auch hier zeigte sich, dass kleinere Länder stärker auf kooperative Strategien setzten und versuchten, eine Führungsrolle in internationalen Organisationen zu erlangen. FRISO HOENEVELD (Utrecht) hat dann am Beispiel der Kernforschung Hollands die bestehenden historiographischen Narrationen in Frage gestellt und anstelle einer bisher angenommenen kontinuierlichen Entwicklung aufgezeigt, dass eher drastische Brüche und die für das Wissenschaftssystem maßgebliche Abhängigkeit von der Forschungsförderung die Entwicklungen prägten. ABEL STREEFLAND (Leiden) hat als ein Nebenprodukt seiner Dissertation eine windige Geschichte über einen gescheiterten Technologietransfer dargestellt: der Export eines holländischen Zyklotrons in das Argentinien des Diktators Peron. Eingefädelt hatte diesen Deal der illustre holländische Prinz Bernhard von Lippe Biesterfeld. Allerdings stellte sich heraus, dass die Absicht einen Reaktor zu bauen, ein Fall wissenschaftlicher Fälschung war. ASTRID ELBERS (Leiden) zeigte dann am Beispiel der frühen holländischen Entwicklungen im Bereich der Radioastronomie, dass der für die Analyse der Wissenschafts- und Politikbeziehungen im Kalten Krieg sehr hilfreiche Ansatz John Kriges nicht immer zutrifft und der Erweiterung bedarf.

Insgesamt bezogen sich viele der Tagungsbeiträge auf John Kriges Modell einer amerikanischen Hegemonie durch kooperative Strategien im Bereich der Wissenschafts- und Technikförderung. Dennoch, so ein Ergebnis der Tagung, trifft dieses Modell nicht in jedem Fall zu. Insbesondere die stärkere Aufmerksamkeit für kleine Länder und ihre Strategien stellt das von den USA geprägte Cold War Narrativ zumindest auf die Probe und wirft die Frage auf „what is beyond american hegemony“.

Die intensiven Diskussionen und reichhaltigen Fallbeispiele dieser zweitägigen Tagung haben eindrucksvoll gezeigt, dass die Frage nach dem Verhältnis von Politik und Wissenschaft im Kalten Krieg längst nicht erschöpft ist. Offensichtlich, so lässt sich abschließend sagen, ist es sehr lohnenswert, die komplexen Interaktionen von Politik und Wissenschaft im Kalten Krieg auf der Basis neuen Archivmaterials multiperspektivisch und vergleichend zu betrachten und die vielfältigen Strategien der Wissenschaftler, ihre transnationalen Netzwerke und Kooperationsformen zu analysieren. Epistemologische Fragen und die Rolle wissenschaftlicher Objekte standen dagegen auf dieser Konferenz kaum im Fokus.

In der Abschlussdiskussion wurde von RONALD E. DOEL (Tallahassee, Florida) die Frage aufgeworfen, welche historiografischen Herausforderungen sich für Studien an der Schnittstelle von Politik und Wissenschaft in der Zeit des Kalten Krieges stellen, welche Narrative und Interpretationen sie leiten und mit welchen Grenzen und Schwierigkeiten sie konfrontiert werden. Neben dem Konsens, dass eine transnationale und auch vergleichende Perspektive sehr fruchtbar ist, stellt die verwickelte Quellenlage für die Cold War Science Studies immer noch eine große Herausforderung dar. Zuoyue Wang schlug vor, einen grundlegenden Essay über die Quellen für eine Cold War Science Historiografie zu erarbeiten; zudem war man sich einig, dass oral history wichtige Beiträge leisten kann, aber nicht nur die Eliten, sondern auch die oftmals namenlosen Wissenschaftler und Techniker in mittleren und unteren Hierarchieebenen in den Blick nehmen sollte.

Konferenzübersicht:

First keynote: Zhoyue Wang (California State Polytechnic University): Transnational science and politics during the Cold War: China, US, and Europe

Helge Kragh (Århus University): The universe, the Cold War, and dialectical materialism

Peder Roberts (Strasbourg University): When the nation was no longer enough: Nordic oceanographers and the early Cold War

Sven Mesinovic (European University Institute): Science in the Cold War and the spatial turn: underwater laboratories and the concept of ‘habitability’ in the 1970s

Anne Lif Lund Jacobsen (Århus University): Marine science and post-war politics in Australian fisheries management

Stine Djørup and Klemens Kappel (University of Copenhagen): The scientific ethos: interpretations and clarifications

Second keynote: Nikolaj Petersen (Århus University): The politics of US military research in Greenland in the early Cold War

Henry Nielsen (Århus University): Cold Atoms: the hunt for uranium in Greenland in the Cold War, 1945-1989

DJ Kinney (Florida State University): Selling Greenland: the U.S. Army’s bid for relevance in the early Cold War

David Baneke (Free University of Amsterdam): Dutch-American cooperation in space patronage, partnership and competition

Friso Hoeneveld (University of Utrecht): Dutch nuclear science in the first postwar years

Abel Streefland (Leiden University): The Dutch-Argentine connection: shadowy deals and technology transferred

Astrid Elbers (Leiden University): Beyond American hegemony: Dutch radio astronomy in the early postwar period

Conference commentary and summary: Christian Kehrt (Helmut-Schmidt-Universität Hamburg) and Ronald E. Doel (Florida State University)


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